Zeit, Fürsorge, Männlichkeit. Vom Nutzen gleichberechtigter Arbeitsteilung.
Jahrestagung des Dachverbandes Männerarbeit Österreich 2018 in Graz
23.-24. April 2018, ÖGB Steiermark, Karl-Morre-Straße 32, I/Saal, 8020 Graz
Wie sind die Rahmenbedingungen zu gestalten, damit Männer selbstverständlich in Karenz gehen und ihre Arbeitszeit reduzieren, um in anderen Lebensbereichen mehr Zeit zu investieren? Welche Ansätze unterstützen die Verwirklichung eines selbstsorgenden Blicks auf die eigene Gesundheit? Durch welche Maßnahmen lassen sich Vorbilder schaffen im Erziehungs- und Bildungssystem? Welche Kooperationen und Strategien sind notwendig, um einer geschlechterbasierten männlichen Gewalt – das genaue Gegenteil also von ‚für/-sorgender Männlichkeit‘ – gegen Frauen, Kinder und Männer entgegenzuarbeiten? Wie kann es gelingen, dass Männer, die sich im Verdrängungswettbewerb um Arbeit in ihrer sozialen Existenz bedroht fühlen, nicht auf traditionelle Konzepte von Männlichkeit zurückgreifen? Und wie können die ‚gehetzten männlichen Eliten‘ zur Ruhe kommen?
Die Jahrestagung des Dachverbandes Männerarbeit Österreich 2018 in Graz greift diese Fragen auf und diskutiert Nutzen und Chancen einer ‚für/-sorgenden Männlichkeit‘ mit Blick auf eine nachhaltige Veränderung bestehender Geschlechterverhältnisse.
Gleichstellungsbemühungen in den letzten Dekaden haben zur Veränderung der Geschlechterverhältnisse beigetragen. Dennoch greifen sozialstaatliche Versuche, das Geschlechterverhältnis zu regulieren, zu kurz, wenn diese das Spannungsfeld zwischen Mensch und Ökonomie, Mensch und Arbeit, sozialpolitische Fragen und solche der Verteilungsgerechtigkeit nicht berücksichtigen. Globalisierung und die damit einhergehende Veränderung der Erwerbsverhältnisse stellen zumeist eine gegenläufige Bewegung zu sozialstaatlichen Regulationsversuchen dar. Deshalb muss der geschlechterdemokratische Diskurs die gesellschaftliche und ökonomische Einbettung der Geschlechter im Auge behalten.
Möglichkeiten der konstruktiven Weiterentwicklung ergeben sich mit Blick auf eine erweiterte Care-Perspektive. Im Kontext männlicher Lebensentwürfe könnte sich diese Perspektive als umfassende, fürsorgliche Position von Männern in grundlegenden gesellschaftlichen Zusammenhängen äußern (Ökonomie, Arbeitsteilung, Ökologie) und den entgrenzten und destruktiven Prozessen in diesen Bereichen etwas entgegensetzen, anstatt sie zu verstärken. Es ist an der Zeit, Programme und Maßnahmen zu entwickeln, durch welche die (negativen) Auswirkungen hegemonial-patriarchaler Männlichkeitsstrukturen für Frauen UND Männer in Frage gestellt werden.
Das Konzept der ‚für/-sorgenden Männlichkeit‘ (Caring Masculinity) scheint ein mögliches zusätzliches Leitprinzip einer Gleichstellungspolitik zu sein, die auch Männer und Männlichkeit(en) in den Blick nimmt und eine gute Ergänzung zu bestehenden gleichstellungspolitischen Leitprinzipien darstellen kann. Zentral ist dabei, dass sich das Konzept der ‚für/-sorgenden Männlichkeit‘ auf die Etablierung bzw. Adaptierung von Strukturen und Rahmenbedingungen richtet und so auch Anregungen für neue Formen des Zusammenlebens, einer anderen Organisation von Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit und einer Aneignung eines anderen Umgangs mit sich und anderen liefert. Zugleich greift dieses Konzept etwas das, das in den letzten Dekaden zunehmend auf der Ebene individueller Handlungspraktiken (z.B. aktive Vaterschaft) manifest wird.
Dieses Konzept ist allerdings nicht allein als individualisierendes, auf den Einzelnen ausgerichtetes Leitziel zu verstehen, sondern als Ziel für die Ausrichtung gleichstellungspolitischer Strategien und Maßnahmen, um Strukturen zu ändern, aber auch entsprechende Initiativen auf politischer und betrieblicher Ebene zu setzen – um die Fragen zu klären, die im Zentrum der Tagung stehen.
„Erst wenn Männer Zugang zu ihrer eigenen Hilflosigkeit erhalten, zur Gewissheit, dass man(n) nicht sozial stirbt, wenn man Hilflosigkeit zeigt, können sie ihre eigene Care-Perspektive entwickeln. Voraussetzung dafür ist allerdings die gesellschaftliche Anerkennung dieser Hilflosigkeit und nicht ihre ökonomisch-technologische Abspaltung.“ (Böhnisch, 2004: 263)
Elli Scambor, Johanna Stadlbauer und Erich Lehner
Inhalt und Tagungsorganisation
DMÖ - der Dachverband für Männerarbeit in Österreich